Das Jazzland in Wien: Ein Keller voller Jazzgeschichte

Die älteste Jazz-Institution Wiens unter der Ruprechtskirche

Tief unter der altehrwürdigen Ruprechtskirche im 1. Wiener Gemeindebezirk verbirgt sich ein kulturelles Juwel der österreichischen Hauptstadt: das Jazzland. Seit seiner Gründung am 4. März 1972 hat sich dieser urige Jazzkeller zu einer international anerkannten Institution entwickelt und gilt heute als ältester noch existierender Jazzclub Wiens.

Die Gründungsgeschichte: Von Literatur zum Jazz

Das Jazzland wurde von Tilly und Axel Melhardt ins Leben gerufen. Besonders bemerkenswert ist der berufliche Werdegang des 2024 verstorbenen Axel Melhardt (1943-2024), der ursprünglich als Autor von Jerry-Cotton-Romanen und Science-Fiction-Kurzgeschichten tätig war, bevor ihn seine Leidenschaft für den Jazz packte. Den entscheidenden Anstoß gab der Film „Benny Goodman Story“, der sein Leben für immer verändern sollte.

Nach bescheidenen Anfängen übernahm Melhardt im September 1972 die alleinige Leitung des Clubs. Gemeinsam mit seiner Frau Tilly prägte er über ein halbes Jahrhundert lang die Atmosphäre und Programmgestaltung des Jazzland. Die Führung wurde 2024 nach Axel Melhardts Tod von seinem Sohn Julius Melhardt und Michael Schlacher übernommen, der bereits zuvor für die Programmgestaltung verantwortlich war.

Ein historisches Gewölbe voller Musik

Das Jazzland befindet sich in einem historischen Gewölbekeller, dessen Ursprünge bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen. Die einzigartige Atmosphäre dieses Raumes mit seinen Ziegelwänden und rustikalen Holzmöbeln trägt wesentlich zum besonderen Charme des Clubs bei. Die Räumlichkeiten liegen in einem Ausläufer der Katakomben des Stephansdoms, direkt unter der Ruprechtskirche, der ältesten Kirche Wiens.

Die Lage am Franz-Josefs-Kai 29 im Herzen Wiens macht das Jazzland leicht erreichbar und zu einem beliebten Treffpunkt für Einheimische und Touristen gleichermaßen.

Musikalische Größen im Jazzland

In den über 50 Jahren seines Bestehens hat das Jazzland unzählige Jazz-Legenden aus aller Welt auf seiner Bühne begrüßt. Etwa 400 US-amerikanische Stars haben im Laufe der Jahrzehnte hier gespielt, darunter Persönlichkeiten wie George Benson, Wynton Marsalis, Teddy Wilson, Clark Terry, Art Farmer, Ray Brown, Monty Alexander, Herb Ellis und Lee Konitz.

Auch Blues-Größen wie Roosevelt Sykes, Memphis Slim und Big Joe Williams bereicherten das Programm. Bemerkenswert ist zudem, dass die heute weltberühmte Diana Krall in den 1990er Jahren, lange vor ihrem internationalen Durchbruch, im Jazzland auftrat.

Die Verbundenheit der Künstler mit dem Club zeigt sich in zahlreichen Anekdoten. Exemplarisch dafür steht die Geschichte des renommierten Bassisten Ray Brown, der seinem Manager in den 1980er Jahren sagte: „I WANT to PLAY there! – Not make Money!“ Nach seinem ersten Auftritt war Brown so begeistert, dass er in den letzten Jahren seines Lebens jährlich im Jazzland spielte.

Die musikalische Ausrichtung: Tradition und Vielfalt

Das Jazzland hat sich seit seiner Gründung zum Ziel gesetzt, die gesamte Jazzgeschichte zu präsentieren. Der Club ist besonders für traditionelle Jazzformen bekannt, darunter New Orleans Jazz, Dixieland, Rag, Swing und Blues. Axel Melhardt war bekannt für seine konservative Programmlinie, an der er jahrzehntelang festhielt.

Besonders stolz war Melhardt auf die Rolle des Jazzland bei der Entwicklung der österreichischen Jazzszene. Als der Club 1972 gegründet wurde, gab es nur eine kleine, lokale Szene. Durch die Pionierarbeit des Jazzland, internationale Stars mit heimischen Musikern zusammenzubringen, hat sich eine breit gefächerte österreichische Jazzlandschaft entwickelt.

Das Jazzland-Erlebnis: Mehr als nur Musik

An sechs Tagen in der Woche (Montag bis Samstag) bietet das Jazzland Live-Musik ab 21 Uhr. Die Besucher schätzen die intime Atmosphäre, in der sie den Künstlern hautnah begegnen können. Der urige Jazzkeller ist oft bis auf den letzten Platz gefüllt und vereint ein vielfältiges Publikum – von langjährigen Stammgästen bis hin zu jungen Jazzbegeisterten.

Neben der musikalischen Qualität punktet das Jazzland auch mit seiner Gastronomie. Der Club serviert solide Wiener Küche mit internationalen Einflüssen. Besonders beliebt sind Spezialitäten wie Wiener Schnitzel, Cevapcici, verschiedene Nudelgerichte und ein berühmt-berüchtigtes Bohnengulasch, das viele Gäste immer wieder bestellen.

Jubiläen und Meilensteine

Ein besonderer Höhepunkt in der Geschichte des Jazzland war das 45-jährige Jubiläum im Jahr 2017. Zu diesem Anlass fand ein kleines Festival statt, bei dem neben der Wiener Gründungsband Red Hot Pods internationale Jazzer wie Carole Alston, Dana Gillespie, Harold Mabern, Don Menza, Heinz von Hermann und Bill Ramsey auftraten.

2022 feierte das Jazzland sein 50-jähriges Bestehen – ein international rekordverdächtiges Jubiläum, da Axel Melhardt zu diesem Zeitpunkt einer der am längsten amtierenden Jazzclub-Chefs der Welt war. Zu diesem Anlass wurde im ORF-Radio ein ausführliches Interview mit Axel und Tilly Melhardt ausgestrahlt.

Die Bedeutung für Wiens Kulturleben

Das Jazzland hat Wien in den letzten 50 Jahren zu einer wichtigen Adresse auf der internationalen Jazzlandkarte gemacht. Axel Melhardt sagte einmal stolz: „Jetzt hat es Wien endgültig geschafft – in keiner Stadt der Welt gibt es so viele Sitze in Jazzclubs im Vergleich zur Bevölkerung wie in der Donaumetropole.“

Der Club ist nicht nur ein wichtiger Veranstaltungsort, sondern auch ein kulturelles Erbe, das die Geschichte des Jazz in Wien repräsentiert und bewahrt. Die Wände des Jazzland sind mit Fotografien von Musikern geschmückt, die im Laufe der Jahrzehnte hier aufgetreten sind – ein visuelles Archiv der reichen Jazzgeschichte des Clubs.

Praktische Informationen für Besucher

Das Jazzland befindet sich am Franz-Josefs-Kai 29 im 1. Wiener Gemeindebezirk, direkt unter der Ruprechtskirche. Der Club ist von Montag bis Samstag ab 19 Uhr geöffnet, die Live-Musik beginnt um 21 Uhr. Ein unscheinbares Schild führt Besucher in den Jazzkeller hinunter.

Wichtig zu wissen: Der Eintritt wird an der Kasse in bar bezahlt. Die Preise sind für die gebotene Qualität der Musik ausgesprochen moderat, was das Jazzland zu einem erschwinglichen Kulturerlebnis macht.

In den Sommermonaten (typischerweise von Mitte Juli bis Mitte August) macht das Jazzland traditionell Sommerpause.

Ein Blick in die Zukunft

Nach dem Tod von Axel Melhardt im Mai 2024 führen sein Sohn Julius Melhardt und Michael Schlacher die Tradition des Jazzland fort. Die Herausforderung besteht darin, das Erbe zu bewahren und gleichzeitig neue Generationen von Jazzliebhabern anzusprechen.

Die Beliebtheit des Clubs bei jungen Besuchern zeigt, dass traditioneller Jazz auch im digitalen Zeitalter seine Anziehungskraft nicht verloren hat. Das Jazzland bietet in einer zunehmend virtuellen Welt ein authentisches, unmittelbares Musikerlebnis, bei dem die Besucher dazu ermutigt werden, ihre Handys beiseite zu legen und sich vollständig auf die Musik zu konzentrieren.

Fazit: Ein unverzichtbarer Teil von Wiens Musikszene

Das Jazzland ist mehr als nur ein Jazzclub – es ist eine Institution, die die musikalische Landschaft Wiens über ein halbes Jahrhundert geprägt hat. In den historischen Gewölben unter der Ruprechtskirche wird Jazzgeschichte nicht nur präsentiert, sondern aktiv gelebt und fortgeschrieben.

Für Jazzliebhaber, Musikinteressierte und Wien-Besucher bietet das Jazzland ein unvergleichliches Erlebnis, das die reiche Tradition des Jazz mit der einzigartigen Atmosphäre eines historischen Wiener Kellers verbindet. Es ist ein Ort, an dem die Zeit stillzustehen scheint und doch jeder Abend neue musikalische Entdeckungen bereithält.